RENAISSANCE
BUNTER HOF - RÖSSINGSTRASSE

1. Leistung der integrierten Planung zum Erhalt der historischen Bausubstanz - Ergebnisse der energetischen, Ressourcen schonenden Sanierung der Fundamente, Fachwerkkonstruktion, äußere Gefache

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Abb. 1 Erdgeschoss mit Baualterskartierung
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Abb. 2 Erdgeschoss, Ausführungsplanung

1.1. Beginn der Instandsetzungsarbeiten am Objekt Bunter Hof in Osterwieck

In Zusammenarbeit mit der Stadt Osterwieck, dem Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt, der Deutschen Bundesstiftung Umwelt sowie der BauBeCon Sanierungsträger GmbH wurde als Modellobjekt für eine energieeffiziente Ressourcen schonende Sanierung der aus dem 16. Jahrhundert stammende Adelshof "Bunter Hof" in der Rössingstraße 5 in Osterwieck ausgewählt.
Das vorbereitete Nutzungskonzept orientiert sich an den öffentlichen Belangen der Stadt und des benachbarten Fallstein-Gymnasiums. Die Schüler des integrativen Gymnasiums, teilweise mit körperlichen Behinderungen,
nehmen täglich sehr lange Fahrzeiten in Kauf. Eine Entlastung und Verbesserung der Schulsituation sollen vier barrierefreie Wohneinheiten im Bunten Hof schaffen, in denen acht Schüler leben werden. Die öffentlichen Belange der Stadt werden mit Nutzung des ehemaligen Rittersaals im 2. Obergeschoss als Schulungsraum und Gruppenarbeitsraum und der Unterbringung eines Teils der Leseräume der Stadtbibliothek im 1. Obergeschoss integriert.

1.2. Die Ressourcen schonende Ertüchtigung der äußeren Fachwerkwände: "Integrative Planung" Schadenskartierung, Festlegung der Ertüchtigung unter Ressourcen schonenden Aspekten

Die integrative Planung ist der erste Arbeitsschritt der Sanierung. Diese bildet die Analyse des Schadens des Gefüges und die Konzeption einer Substanz sowie Ressourcen schonenden Sanierung. Zunächst stellt der Holzschutzgutachter die Schädigung des Holzes in Tiefe und Breite fest, Restquerschnitte der Hölzer und dessen Tragfähigkeit werden vom Statiker bestimmt, die Sanierungsumsetzung wird gemeinsam mit dem Planer und der Bauforschung diskutiert.

Die Fachwerkkonstruktion an der Nordfassade, in den oberen Stockwerken ein stockwerksweiser Abbund mit Ständern, Riegeln, Brüstungsplatten, Schwell und Rähm, wurde 2013 als Sicherungsmaßnahme und erstes Ergebnis der integrativen Planung ertüchtigt.
Negativ für diese Gebäudeseite wirkte sich 1952 der Abriss des Westflügels aus. Die damals neu errichte Außenfassade im westlichen Teil wurde entsprechend den Vorkragungen des östlichen Abschnitts mit zweitverwendeten Baumaterialien errichtet.
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Abb. 3 Kartierung der Holzschäden an der Nordfassade
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Abb. 4 Wendelstein an der Nordfassade während der Sanierung, 2012
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Abb. 5 Wendelstein an der Nordfassade während der Sanierung, 2012
Umfangreiche bauliche Sanierungsmaßnahmen wurden an dem ursprünglich durch den Westflügel über Eck eingebundenen Wendelsteinturm vorgenommen. Der Treppenturm mit einem umlaufenden doppelt gezapftem Schwellkranz, über Eck gestellten Ständern, zwei Riegelketten und Brüstungsbohlen, weist in den oberen Geschossen auf Höhe des Schwellkranzes als Betonung der Ecksituation aufgenagelte Kapitelle auf. Der Eingang zum Treppenturm befindet sich in der östlichen Achse, unmittelbar an den Südflügel angrenzend. Der Sturzbogen des Eingangs mit Vorhangbogenprofil verblieb trotz Schließung im 18. Jahrhundert in Folge der Veränderung der Eingangssituation in situ. Weitere Eingriffe und Veränderungen des historischen Gefüges erfolgten im nördlichen Bereich des Wendelsteins durch den Einbau eines Kellerabgangs vom Hof zum westlich gelegenen Tonnengewölbe. Der Schwellkranz und die nördlichen Ständer wurden entfernt und eine segmentbogenförmige Öffnung in das Sockelmauerwerk eingebrochen.
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Abb. 6 Konstruktion der Gefügepunkte des Fachwerkes an der Nordfassade
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Abb. 7 Nordfassade während der Sanierung, 2013
In Abstimmung mit den Denkmalfachbehörden wurden Reste des Sandsteinsockels zurück genommen und unter Wiederverwendung der Kalksteine mit einer Horizontalsperre neu aufgemauert. Die Ständerfüße der Fachwerkkonstruktion wurden neu angeblattet und der Schwellkranz mit hakenförmigen Ecküberblattungen aus Eiche neu ausgeführt. Die Ecküberblattung wurde mit Holznägeln gesichert. Die weiteren Sicherungen des Fachwerkgefüges beinhalteten Maßnahmen des konstruktiven Holzschutzes, wie z.B. Abtropfkanten oberhalb des Schwellkranzes und Brüstungsgesimses, behutsame Instandsetzungen durch Ausvieren, Anschuhen und Aufbohlen der Schadensbereiche an Ständern und Riegeln sowie Aussetzungen im Bereich der Gesimsbalken. In den Stockwerken der Hauptfassade wurden ebenfalls Riegel ergänzt, Ständer ausgeviert, Ständer- sowie Strebenfüße angeblattet, der Brandschaden an den Brüstungsplatten beseitigt und die Brustriegel mit Gesimsabdeckungen versehen. Das Schwellholz wurde in Höhe des heutigen Haupteingangs ergänzt und im weiteren Verlauf auf der Unterseite bebeilt.
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Abb. 8 Kartierung der Holzschäden an der Südfassade während der Sanierung, 2013
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Abb. 9 Nordfassade nach Fertigstellung, 2014
2013 wurden die Gefache als auch ihr Verputz instandgesetzt (siehe auch Kapitel 1.3. Gefachsanierung) und abschließend die gesamte Fassade farblich gefasst. Die unterste Gefachreihe des Wendelsteins wurde entsprechend des historischen Bestands mit Bruchsteinen in Kalkmörtel ausgemauert, auch da in diesem Bereich die Trittstufen der Treppenspindel auflagern.
Im letzten Arbeitsschritt wurden 2014 die restaurierten, historischen Fenster wieder eingesetzt und durch ein zweites Kastenfenster thermisch ertüchtigt.
Die Ertüchtigung der Südfassade erfolgte ab März 2013 mit der Kartierung der Schäden. Die Fachwerkkonstruktion - ein stockwerksweiser Abbund mit Ständern, Riegeln, Streben, Schwell und Rähm - wurden als Sicherungsmaßnahme 2013 ertüchtigt. Bauzeitlich befand sich zwischen Gebindeachse 16 und 18 ein rechteckig auskragender zweigeschossiger Erker, der im Unterstock auf Streben auflagerte. Befunde wie Zapfenlöcher in den Ständern verweisen auf die ehemalige Konstruktionsform.
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Abb. 10 Südfassade, Aussetzungsarbeiten am Ständerfuß im EG, 2013
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Abb. 11 Südfassade, Aussetzungsarbeiten am Ständerfuß im EG, 2013
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Abb. 12 Korrektur der Schwellverformung im 1. Oberstock, Südfassade, 2013
Im 18. Jahrhundert wurde der Erker entfernt und die Öffnungen in den Gebindeachsen mit einem Brüstungsriegel und Lehmsteinen verschlossen. Die Veränderung des Abbundes in diesem Bereich führte zur Festlegung, den Neubau mit dem neuen Treppenhaus mit Fahrstuhl in diesem Bereich anzuordnen.
Die nördliche Abschlusswand des südöstlich angrenzenden Vorgängerbaus, ein vollflächig aufgemauertes Bruchsteinmauerwerk in Kalkmörtel von 1 m Stärke, wurde als Fundament und Sandsteinsockel für den 1579 errichteten Fachwerkbau wiederverwendet. Das Bestandsmauerwerk zeigte keinerlei Verformungen oder Scherrisse. 2016 wurden von außen Abdichtungsmaßnahmen vorgenommen.
Die in Abstimmung mit der Denkmalfachbehörde getroffenen Sicherungen der Fachwerkkonstruktion beinhalteten Maßnahmen des konstruktiven Holzschutzes, das Ergänzen fehlender Gesimsbohlen im Traufbereich, verkleiden offener Konstruktionsfugen durch Überblattungen mittels schräger Abdeckleisten und behutsame Instandsetzungen durch Ausvieren, Anschuhen und Aufbohlen der Schadensbereiche an Ständer, Riegel und Streben. Die konstruktive Ertüchtigung der Ständerachsen im 2. Oberstock erfolgte von einer ortsansässigen Fachfirma. Hier wurden die Ständer von innen durch eine über Schwell und Rähm verlaufende Bohle verstärkt.

Die Ertüchtigung startete im März 2013 in einem Seminar mit jungen Wandergesellen. Einen der ersten Arbeitsschritte bildete das Ergänzen fehlender Fachwerkdetails, wie der Knaggen im Unterstock; dem Ergänzen der Schwelle und Anbindung mittels schrägem hakenförmigem Blatt, der profilierten Gesimsbohle unterhalb der Traufe an der abgeschrägten Zerrbalkenlage und die Schließung der Rückbaumaßnahmen von 2009 (2 Gebinde umfassend).
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Abb. 13 Aussetzungsarbeiten im Bereich der Südfassade, neu eingefügter Ständer mit Riegel, 2013
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Abb. 14 Konstruktion der Gefügepunkte des Fachwerkes an der Südfassade
Zunächst wurde in diesem Arbeitsabschnitt im 1. Oberstock eine Korrektur der Schwellverformung vorgenommen und anschließend ein zweites Schwell auf der Rauminnenseite eingezogen. Der fehlende Ständer wurde in lotrechter Achse (Zapfenverbindung mit neuem Schwell) und zwei Riegel je seitlich des Ständers eingezogen. Die Verlagerung der Last auf die neu eingezogene Schwelle erfolgte mit einem hinter dem Ständer eingezogenen Stempel und dessen Befestigung im neuen Schwellholz. Zwei Gebinde weiter östlich wurde die bauzeitliche Strebe - durch den Einbau einer Fensteröffnung zurückgeschnitten - wieder mittels senkrechtem Blatt angeschuht. In Gebindeachse 15 wurde die Aussetzung im Rähm als zugfeste Verbindung mittels Schwalbenschwanzblätter beidseitig ausgebildet.
2013 wurden auch an der Südfassade in einem weiteren Seminar die bauzeitlichen Gefache ertüchtigt und 2014 die restaurierten, historischen Fenster wieder eingesetzt und durch ein zweites Kastenfenster thermisch ertüchtigt. Hierbei konnte zusätzlich ein bauzeitliches Fenster mit Lüftungsflügeln und äußeren Windrispenbändern wieder eingesetzt werden.
Das bauzeitlich aufgemauerte Bruchsteinmauerwerk in Kalkmörtel an der Ostfassade zeigte starke Verformungen und Scherrisse. Das Sockelfundament musste auf ganzer Länge unter Verwendung des alten Steinmaterials mit einer Horizontalsperre neu aufgeführt werden. Die Lastannahmen mit 75 kN/m erforderten eine Fundamentbreite von 0,52 m. Die Eckbereiche wurden mit
Bewehrung verstärkt. Die auszuführende Gründungstiefe, der tragfähige Grund wurde durch Bohrproben in einer Tiefe von 1,40 m ermittelt, konnte vom begleitenden Bodengutachter abschnittsweise in ihrer Annahme korrigiert werden. Fortgeführte Begutachtungen der Bodenbeschaffenheit von Seiten der Fachfirmen, dem Bodengutachter, dem Statiker und der Planung, führte zur Reduzierung der Gründungstiefe. Teilweise wurde eine tragfähige 0,60 - 0,70 m starke Kiesschicht nach einem Meter bereits erreicht.
Die Sicherungsmaßnahmen des konstruktiven Holzschutzes beinhalteten unter anderem das Verkleiden des Giebeldreiecks, das Schließen offener Konstruktionsfugen und behutsame Instandsetzungen durch Ausvieren, Anschuhen und Aufbohlen der Schadensbereiche an Ständer, Riegel und Streben. Die konstruktive Ertüchtigung des Fachwerks erfolgte ebenfalls im Seminar unter Anleitung einer ortsansässigen Fachfirma. Der im Dreiecksgiebel bauzeitlich erhaltene mittige Ständer wurde durch seitliche Zangen und auf der Vorderseite durch Bohlen verstärkt. Die Zapfenlöcher des ehemals einbindenden bauzeitlichen Fachwerkabbundes im Randbalken des Giebeldreieckes wurde mit einem Kantholz in zwei Abschnitten ausgesetzt.
Weitere Schädigungen befanden sich am Randbalken im 1. Oberstock. Der Randbalken, geschädigt durch Hausbockbefall, wurde abgebeilt und anschließend entsprechend dem Schädigungsgrad konisch verlaufend aufgebohlt. Die Ertüchtigung des östlichen Rähms, Auflager des südlichen Randstücks, erfolgte durch Aussetzungen und einer Knagge.
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Abb. 15 Kartierung der Holzschäden am Ostgiebel während der Sanierung, 2013
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Abb. 16 Ostgiebel mit Aussetzungen, 2013
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Abb. 17 Ostgiebel nach Fertigstellung, 2014
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Abb. 18 Giebeldreieck, mittiger Ständer mit neuer Aufbohlung von vorne und zu beiden Seiten, 2013
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Abb. 19 Giebeldreieck, mittiger Ständer mit neuer Aufbohlung von vorne und zu beiden Seiten, 2013
Eine Ertüchtigung des Gefügeknotens durch Rückschnitt hätte, bedingt durch die verschiedenen Auflagerpunkte - Ständer Erdgeschoss, Rähm, Randbalken, Ständer 1. Oberstock, einen zu großen Eingriff in die historische Substanz bedeutet.
In den unteren Geschossen wurden die Zapfenlöcher in Randbalken und Ständerwerk der ehemals einbindenden Abortercker ausgesetzt.

Der bauzeitliche Fachwerkabbund war im Giebeldreieck nicht mehr erhalten. Lediglich der mittige Ständer, Auflagerpunkt des Längsrähms, mit seitlichen Kopfbändern entstammte der Bauzeit. Im 18. Jahrhundert wurden hier Nadelhölzer mit stark differenzierenden Querschnitten eingebaut. Die Verwendung von Nadelholz und die Schädigungen durch Hausbockbefall führten zur Entscheidung, das Giebeldreieck mit einem Ziegelbehang zu verkleiden. Der bauzeitlich stark gestörte Randbalken wurde durch den vorkragenden Ziegelbehang ebenfalls vor Schlagregen geschützt.
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Abb. 20 Ertüchtigung des aufgehenden Bruchsteinmauerwerkes, 2013
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Abb. 21 Randbalken 1. Oberstock, neue konisch geformte, vorgelagerte Bohle
2013 wurden auch an der Ostfassade in einem weiteren Seminar die bauzeitlichen Gefache ertüchtigt (siehe auch Kapitel 1.3. Gefachsanierung) und 2014 die restaurierten, historischen Fenster wieder eingesetzt und durch ein zweites Kastenfenster thermisch ertüchtigt.

Die Westfassade kragt in jedem Geschoss vor. Das einheitliche Abbundsystem, die gleichmäßige Verwendung von Eichenholz für die in Reihung stehenden Ständer, Schwell, Rähm und zwei Riegellagen sowie die Verwendung von Kiefernholz im Bereich der Füllhölzer und Deckenbalken kennzeichnen die Bauzeit von 1579. Zwischen den Stichbalken liegende Füllhölzer mit Schiffskehle und die profilierte Schwelle in den Stockwerken betonen die architektonische Erscheinung. In Längsrichtung wird der Westgiebel durch, in den Stockwerken versetzt angeordnete Streben ausgesteift.
Alle Gefügeverbindungen sind gezapft und mit Holznagel gesichert. Die Schwelle im EG war großflächig durch Moderfäule und Anobienbefall zerstört. Der Ersatz der Schwelle erfolgte unter Erhaltung aller Gefachfelder, auch unterhalb der ersten Riegellage. Hierzu wurden diese durch eine Lattenkonstruktion in ihrer Lage gesichert. Der Anschluss an die südliche Schwelle erfolgte mit einer hackenförmigen Ecküberblattung.
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Abb. 22 Randbalken 1. Oberstock, Schädigung durch Holzbock
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Abb. 23 Kartierung der Holzschäden am Westgiebel während der Sanierung, 2013
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Abb. 24 Sanierung des Westgiebels, 2013
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Abb. 25 Fertigstellung des Westgiebels, 2014
Im 2. Oberstock wurde das neu eingefügte, nördliche Schwellstück mittels Ecküberblattung mit der Schwelle der Nordfassade verbunden und an die Schwelle der Westfassade mittels schrägem Blatt angeschlossen. Weiterhin wurden die Stichbalken in geschädigten Bereichen ausgeviert. Die Ständer und Riegel wurden insbesondere im Bereich der Zapfenlöcher aufgebohlt und ergänzt.
Schäden an den bis zur zweiten Riegellage geführten, diagonal angeordneten Streben wurden durch aufbohlen oder ausvieren instand gesetzt, beziehungsweise ein Strebenfußpunkt ergänzt.
Zur Unterstützung der Stichbalken im Erdgeschoss wurden Knaggen eingefügt. Im 1. und 2. Obergeschoss wurden unter Berücksichtigung der Verkleidung des Westgiebels in den oberen Geschossen lediglich lotrechte Aufbohlungen mit Stabdübeln und Schlüsselschrauben bzw. ein Streichbalken unter der Stichbalkenlage angebracht.

Der bauzeitlich erhaltene Südwesterker im 1. und 2. Oberstock erforderte eine umfassende Ertüchtigung der Gefügepunkte. Die an der Südwestecke auskragenden und profilierten Stichbalken wurden bauzeitlich auf einem Stelzfuß mit seitlich eingezapften Kopfbändern und darüber liegendem Sattelholz aufgelagert. Oberhalb der Stichbalken beginnt der Stockwerksabbund mit umlaufendem Schwellkranz, eingezapften Ständern und Riegeln sowie dem abschließenden Rähm. Unterhalb der Brüstungsriegel zapfen Fußstreben in Schwellkranz und Ständer. Der mittig angeordnete Stelzfuß mit seitlichen Kopfbändern und darüber liegendem Sattelholz wurde bereits im 18. Jahrhundert durch einen 2. Ständer in gleicher Achse stehend
verstärkt. Dennoch konnte das Problem des vertikalen Lastabtrags und damit verbundene Verformungen der Gefügekonstruktion nicht behoben werden. Die im Inneren in den von Süd nach West verlaufenden Wechsel eingezapften, an der Fassade auskragenden Stichbalken wurden aufgrund der unterschiedlichen Höhen nicht ausreichend vom Sattelholz, dem Auflager, erfasst. Mehrere Konstruktionsvarianten wurden erörtert und schließlich dem Abfangen des Eckerkers über zwei sich gegenüberstehenden Stützen auf Sandsteinpostamenten Vorrang gegeben.
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Abb. 26 Südwesterker, Schwelle, passgenaue Aufbohlung über Eck
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Abb. 27 Komplettaustausch der geschädigten Schwelle im EG, 2013
Weitere Ertüchtigungsmaßnahmen bezogen sich auf den polygonalen Schwellkranz. An den Gefügepunkten der hackenförmigen Ecküberblattungen zapfen die Ständer der Geschosse ein. Ein Austausch einzelner Schwellabschnitte hätte hierbei den Rückbau des gesamten Gefachfeldes mit inneren Putzen und Malereien bedeutet. Daher wurden geschädigte Schwellbereiche mittels einer passgenauen, dreiecksförmigen Aufbohlung ertüchtigt. Auf der Rauminnenseite der Westfassade sind Fassungen der
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Abb. 28 Komplettaustausch der geschädigten Schwelle im EG, 2013
Bauzeit sowie Inschriften und Tapetenreste des 19. Jahrhunderts erhalten, die unter anderem den behutsamen und dadurch auch Ressourcen schonenden Umgang voraussetzten und am Beispiel dieses Arbeitsablaufes betonten. So wurde zum Erhalt der historischen Fassungen in der integrierten Planung beschlossen, an dieser Stelle mit einer außen liegenden Dämmung zu arbeiten. Bereits im 19. Jahrhundert hatte der Westgiebel einen Schieferbehang als Wetterschutz erhalten, der die Konstruktion bekleidete.
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Abb. 29 Ausmauerung der Gefache der Nordfassade mit Lehm- bzw. Ziegelsteinen, 2013
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Abb. 30 Ertüchtigung der Gefache der Nordfassade, 2013

1.3. Die Ertüchtigung der äußeren Gefachfelder an den Fassaden unter Ressourcen schonenden und energieeffizienten Gesichtspunkten

1.3.1. Die Ertüchtigung der historischen Ziegelsteingefache

Im Bereich der Nordfassade wurden die Gefache des 16. Jahrhunderts - Stakenhölzer mit Strohlehmputz und einen gegen Witterungseinflüsse schützenden Kalkputz mit Anstrich - mit einem Lehmunterputz und abschließend mit einem Otterbein-Kalk ertüchtigt. In einem Seminar wurden zunächst lose Putzflächen entfernt, Lehmuntergründe aufgeraut und angefeuchtet, um anschließend einen neuen Lehmputz aufzutragen. Hohlstellen wurden mit Strohlehmputz mittels Fugenkelle ausgestopft. Als Lehmputz wurde zur Reparatur des Flechtwerks ein fertig gemischter Lehmunterputz, teilweise mit Strohhäckseln versetzt, verwendet. Geschädigte Stakenhölzer wurden ausgetauscht und eine Lagekorrektur vorgenommen, wenn Staken sich nicht mehr in den Nuten der Riegelhölzer befanden.
Ab Juni 2015 wurden die Gefache, überwiegend aus dem 16. Jahrhundert, mit Stakenhölzer und Strohlehmputz, mit einem 1 - 2 cm starken Otterbein-
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Abb. 31 Ausmauerung und Verputzen der Gefache an der Südfassade, 2013
Kalkputz abgeputzt. Ältere Putzflächen mit Fassungen wurden nicht überstrichen, sondern mit einer Injektage, bestehend aus Lehm, Marmormehl, Wasser und Kleister, rückbefestigt. Auf einzelnen Putzresten waren die Erstfassung Altweiß und die Zweitfassung, eine rote Backsteinimitation noch erhalten. Vor dem Anstrich wurden größere Rissstrukturen in der Fachwerkkonstruktion mit einem Gemisch aus Tierhaaren, Leinöl und Lehm sorgfältig ausgestopft. Unter 1 cm verblieben sie unbehandelt, lediglich tief ausgestrichen. In der Konstruktion fehlende Konusplättchen oder Fugen zwischen Riegel und Ständer wurden noch ausgesetzt, Knaggen oder Abdeckungen über Schwellverformungen und auskragenden Schwellhölzern der Längsseite im Giebelbereich wurden ergänzt.
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Abb. 32 Instandsetzung der bauzeitlichen Gefache an der Südfassade, 2013

1.3.2. Die Ertüchtigung der Gefache mit Stakenhölzern und Strohlehmputz

Die mit Lehmsteinen oder Ziegelsteinen geschlossenen Gefache des 18. und 19. Jahrhunderts wurden ebenfalls mit dem Otterbein-Kalk abgeputzt. Die unteren Gefache des Wendelsteins wurden mit Bruchsteinen ausgemauert, die Gefachfelder im 1. und 2. Obergeschoss mit Ziegelstein. Teilweise erfolgte
der Abputz der Gefachaußenseite mit Otterbein-Kalk. Am Westgiebel wurde das Giebeldreieck teilweise mit Lehmsteinen ausgemauert. Zuvor wurden umlaufend an die Fachwerkkonstruktion Dreikantleisten angebracht.
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Abb. 33 Anputzen an historische Putze mit Farbfassungen, 2013
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Abb. 34 Bei Neuanstrich blieben vereinzelt historische Putzflächen bestehen, 2013
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Abb. 35 Fertigstellung der Südfassade, 2016
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Abb. 36 2. Obergeschoss, Raum 36, Mikrowellenbehandlung an Wechsel und Stichbalken mit Malerei in der westlichen Wohnung
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Abb. 37 2. Obergeschoss, Raum 36, Mikrowellenbehandlung an Wechsel und Stichbalken mit Malerei in der westlichen Wohnung
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Abb. 38 2. Obergeschoss, Raum 36, Mikrowellenbehandlung an Wechsel und Stichbalken mit Malerei in der westlichen Wohnung

1.4. Die Mikrowellenbehandlung der Braunfäule an der Fachwerkkonstruktion

2012 wurde bei der Untersuchung am Westgiebel Pilzbefall festgestellt. Dieser wurde entsprechend den Forderungen nach DIN 68800-4 bestimmt. Untersuchungsmethoden, wie die makroskopische Untersuchung vor Ort mit Taschenmikroskop sowie Mikroskopie im Labor wurden angewandt. Am Säulenfuß und Deckenbalken oberseitig wurde Weißer Porenschwamm festgestellt. Die normalerweise reinweißen Myzelien waren hier lehmgelb verfärbt. Die Myzelstränge bestanden fast ausschließlich aus Gefäßhyphen, ohne Balken- und Ringverdickung. Der gelbrandige Hausschwamm weist im Unterschied englumige Gefäßhyphen mit Balkenverdickung auf. (Untersuchung Roland Becker, Sachverständiger der HWK Magdeburg, Nr. 10-246, Oktober 2012).
Eindringende Nässe und der direkte Kontakt mit einer Bitumenbahn verursachte den Pilzbefall und letztendlich die Verfärbung. Der Weiße Porenschwamm ist ein Braunfäuleerreger, sichtbar durch kleine Würfelbrüche im Holz. Auch nach 10 Jahren Trockenstarre kann bei diesem Pilzbefall ein erneutes Auswachsen des Altbefalls auftreten.
Empfohlen wurde, eine Sondermaßnahme wie Heißluft oder Mikrowellenbehandlung durchzuführen sowie baubegleitende konstruktive Maßnahmen zur Unterstützung der Tragfähigkeit der Deckenbalken umzusetzen.
Die zunächst durchgeführte bauliche Maßnahme umfasste den Einzug zweier Unterzüge oberhalb des bauzeitlichen Wechsels. Die Unterzüge lagern auf dem Rähm im Dachgeschoss auf und wurden mit dem bauzeitlichen Wechsel mittels Vollgewindeschrauben verbunden.
Im Juni 2015 wurde die Mikrowellenbehandlung nach DIN 68800 Teil 4 Abs. 13 im 2. Obergeschoss durchgeführt. Diese Behandlungsmethode wurde gewählt, um den mit Weißem Porenschwamm befallenen bauzeitlichen Wechsel mit Malereien des 16. Jahrhunderts zu erhalten und ein Rähmholz im Dachgeschoss und Auflagerpunkt der Sparren zu trocknen. Das Mikrowellengerät wurde auf einem Stativ von unten an den Balken herangeführt. Während der Durchführung wurden an verschiedenen Messpunkten die kontinuierliche Temperaturerhöhung erfasst. Das Holz wird hierbei unabhängig der Holzfeuchte auf ca. 82°C erwärmt.
Die Messpunkte wurden an den Stichbalken und Wechsel im Erkerbereich befestigt und zeigten einen kontinuierlichen Temperaturanstieg von 22,3°C bis 82°C an. Die Temperatur wurde über drei Minuten gehalten. Die Leistung der Mikrowellenbehandlung wurde vom Holzschutzgutachter mängelfrei abgenommen.
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Abb. 39 Grundriss 2. Obergeschoss, Ausführungsplanung
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Abb. 40 Kartierung der Bundwand ohne Schrägrisse (symbolisch eingetragen – angreifende Windlasten)

1.5. Die statisch konstruktive Ertüchtigung unter Ressourcen schonenden und energetischen Gesichtspunkten

1.5.1. Standsicherheitsnachweis für die Längswände im 2. Obergeschoss, Rittersaal (Raum 41)

Durch intensive Beratung und den Austausch von Fachwissen wurde versucht, gemeinsam mit den Statikern, Prüfstatikern und beratenden Statikern, der Bauforschung und Planung ein Konzept zu finden, das für die historisch wertvolle Substanz denkmalschützend ist. Angestrebt wurde eine Ertüchtigung, die den Bestand des Gebäudes bewahrt und bei der die Entwicklung des Sanierungskonzeptes vom Bestand des Gebäudes ausgeht.
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Abb. 41 Dachkonstruktion, Explosionszeichnung des Hängewerks
Besonders problematisch gestalteten sich die Bemessung und der Nachweis der Aussteifung des 20 Meter langen Rittersaales im 2. Obergeschoss, der in seiner historischen Gestalt erhalten und erlebbar bleiben sollte. Die Umfassungswände des Saales bestehen aus einem Fachwerk aus Eiche, an der Nordseite mit Brüstungsplatten, auf der Südseite mit versetzt angeordneten Dreiviertelstreben in Längsrichtung ausgesteift. Die Gefachmaterialien bestehen aus Stakenhölzer mit Strohlehmputz, Lehmsteinen und Vollziegel.
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Abb. 42 Systemzeichnung Dachwerk (Grundriss)
Historisch unterstützten eingezapfte Knaggen in jedem 3. Gebinde die Rahmenwirkung des Gebäudes. Die laut DIN 1052 heranzuziehenden "Geregelten Bauprodukte" bezüglich ihrer Druck- und Zugfestigkeit beziehen sich nicht auf historische Tragwerkkonstruktionen mit unterschiedlichen Ausfachungen, wie Ziegel-, Lehmsteine oder auch Stakenhölzer mit Strohlehmputz. Somit musste ein anderer Weg des Nachweisverfahrens gefunden werden. Das schadlose Überdauern des Gebäudes - die Gefache mit historischen Putzflächen zeigen keinerlei Schrägrisse, die auf das Einwirken großer unverträglicher Horizontalkräfte hinweisen - bildete die Basis der Sanierungskonzeption.
Gemeinsame Überlegungen von Seiten der Statiker, beratenden Statiker, Prüfstatiker, Planer und der Bauforschung führten zu der Annahme, dass unter anderem die Ausrichtung des Gebäudes und die Nachgiebigkeit des Traggefüges, die eine Verteilung der Windlasten bewirkt, das schadlose Bestehen des Gebäudes bewirkte.
Aufgestellte Sanierungskriterien waren unter anderem:
  • die Bundwand in Achse 19 sollte in der Bemessung und Ertüchtigung der horizontalen Aussteifung nicht überbeansprucht werden,
  • Minimierung der Eingriffe in die Substanz,
  • Ertüchtigung nach Möglichkeit entsprechend der Materialien des historischen Bestandes, um bauphysikalischen Problemfeldern vorzubeugen.
  • Zur Ermittlung der tatsächlichen Windkräfte die auf das Gebäude einwirken, wurde die Windrichtung berücksichtigt und Winddaten der letzen 40 Jahre ermittelt (Wetterstation Langeln). Laut nationalem Anhang der DIN EN 1991 - 1.4 kann eine Abminderung des anzusetzenden Winddrucks auf die Längswände erfolgen, insofern der Richtungseinfluss berücksichtigt ist. Die Firstlinie des Gebäudes verläuft in Ost/West/Richtung. Eine Abminderung von 20% der anzusetzenden Windlasten konnten im Nachweisverfahren erreicht werden (1).

    1.5.2. Aussteifung der Längswände im ehemaligen Rittersaal (Raum 41)

    Dies bedeutete für die konstruktive Ertüchtigung: Das Aufgreifen des historischen Rahmensystems - Ständer / Deckenbalken / Knagge - was in der Umsetzung zur Aufbohlung der Ständer mit 8 cm starken Bohlen über das in Längsrichtung laufende Rähm und Schwell geführt hat. Die Aufbohlung wurde in diesem Bereich entsprechend der Vorkragung ausgeklinkt und die Zwischenräume Bestandteil der Dämmebene.
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    Abb. 43 Blick in den Rittersaal (2.OG), Anbringung der zusätzlichen Aufbohlung an den Ständern in jeder Gebindeachse, 2013
    Zusätzlich wurden Kopfbänder in jedem Gebinde angebracht, hier erfolgte die Befestigung mit einer Grundplatte aus Stahl und einem Schlitzblech (2). Die Verknüpfung der energetischen und statisch konstruktiven Ertüchtigung stellt ein wichtiges Ergebnis der integrativen Planung dar. Die zusätzliche Anbringung von Kopfbändern in Holz in jedem Gebinde erwirkt eine aussteifende Rahmenwirkung der Gefügekonstruktion.
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    Abb. 44 Blick in den Rittersaal (2.OG), Ständer mit zusätzlicher Aufbohlung und zusätzlichem Kopfband in jeder Gebindeachse
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    Abb. 45 Grundriss 2. Obergeschoss mit Aufbohlung auf den Deckenbalken über dem 1. OG und längs spannenden Lagerhölzern (grün)
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    Abb. 46 Deckenbalken des 1. OG von oben (Deckenbalken R28-35), Rittersaal mit Aufbohlung und längs spannenden Lagerhölzern

    1.5.3. Deckenbalken über dem 1. Obergeschoss (Raum 28-35)

    Die Deckenbalken im 1. Oberstock vom Ostgiebel zur Bundwand in Gebindeachse 19 mit einem Querschnitt von 24/22 cm im Abstand von 1 bis 1,25 m waren für die angesetzten Verkehrslasten von 3,0 kN/m2 nicht ausreichend tragfähig (3). Aufgrund der wertvollen Raumstrukturen sollten Unterzüge, aufgelagert auf Ständern, vermieden werden.
    Der aus dem 16. Jahrhundert stammende Rittersaal, oberhalb des 1. Obergeschosses, wurde in der Planung als Schulungsraum der Stadt vorgesehen, um dessen Saalcharakter auch weiterhin zu bewahren. Verkehrslasten von 3 kN/m2 wurden im Nachweis gefordert. Die Nutzung des Versammlungsraumes ist mit maximal 80 Personen und einkalkulierten vier Rollstuhlfahrern entsprechend vorliegendem Bestuhlungsplan zulässig (4). Nach längerem Austausch mit dem Statiker, Prüfstatiker, Bauherren und Planer konnten die anzusetzenden Verkehrslasten für die Berechnung der vertikalen Lasten für den historischen Saal im 2. OG und der damit verbundenen Nutzung reduziert werden.
    Daraus folgend wurden die Deckenbalken im 1. OG von oben mit einer 8 cm starken Bohle aufgedoppelt. Die Verstärkung erfolgte im 1. Feld von der Nordfassade bis zum außermittigen Unterzug. Eine statische Verbindung zwischen Deckenbalken und aufliegender Bohle wurde durch Bulldog-Dübel erreicht.
    Im März 2015 erfolgte die Absenkung der Längshölzer im Rittersaal im nördlichen Bereich um maximal 6 cm. Die Längshölzer wurden auf die querverlaufende Deckenbalkenausgleichschicht (nicht Verstärkung) aufgekämmt, d.h. die Längshölzer wurden im Querschnitt reduziert. Die Höhe des Raumes im südlichen Bereich im Anschluss an das neue Treppenhaus verblieb in der bisherigen Höhe.
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    Abb. 47 Erdgeschoss, Diele (Raum 12) mit zusätzlicher Eichenstütze in Gebindeachse 15
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    Abb. 48 Erdgeschoss, Diele (Raum 12) mit zusätzlichem Unterzug im südlichen Bereich

    1.5.4. Deckenbalken über dem Erdgeschoss, Diele (Raum 12)

    Für die statisch konstruktive Ertüchtigung der Gebindeachse 15 in der Eingangsdiele wurde ein zusätzlicher Eichenholzständer eine Gebindeachse westlich des bauzeitlichen Ständers eingezogen, um die Auflagerpressung zu reduzieren.
    Die Eichenholzstütze, 30/30 im Querschnitt, wurde auf einem Einzelfundament, horizontaler Sperrbahn und Eichenbohle aufgeständert und
    verschraubt. Zur Reduzierung der Auflagerpressung am Stützenkopf wurde ein Sattelholz mit seitlicher Wulst angebracht. Die Oberfläche des Ständers wurde zur Angleichung an die Oberfläche des historischen Ständers gehobelt.
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    Abb. 49 Möblierungsplan der Bibliothek im 1. Obergeschoss
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    Abb. 50 Fertiggestellte Bibliothek 2017, Raum 30, Blick nach Norden

    1.5.5. Deckenbalken über dem Erdgeschoss (Raum 14-21)

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    Abb. 51 Neuer Unterzug mit Beistielen in der Achse Mittellängs unterzug
    In der Nutzungsplanung wurde festgelegt, Leseräume für die Stadtbibliothek im 1. Obergeschoss, Raum 29-35, einzubringen. Durch intensive Beratung und Austausch von Fachwissen wurde versucht, gemeinsam mit den Statikern, Prüfstatikern und beratenden Statikern, der Bauforschung und Planung ein der historisch wertvollen Substanz entsprechendes, denkmalgerechtes statisches Konzept zu finden. Bei der Entwicklung des Sanierungskonzeptes stand die Bewahrung des Gebäudebestandes im Vordergrund.
    Das Erstellen eines Möblierungsplanes für die Leseräume der Bibliothek und die Bestimmung des Gesamtgewichtes der Regalsysteme mit Inhalt ermöglichte den Nachweis der Standfestigkeit der historischen Konstruktion. Hierzu wurde zunächst die Verkehrslast für das 2. OG mit 3,0 kN/m2 festgelegt (5).

    Die geringen Raumgrößen im 1. OG und die barrierearme Erschließung der Räume hatten eine geringe Stellfläche zur Folge. Die Anordnung der Regale erfolgte nach Möglichkeit immer oberhalb einer tragenden Wand des Erdgeschosses.
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    Abb. 52 Ergänzung der Fachwerkwand von 1952
    Die Regallasten wurden als direkte Belastung seperat nachgewiesen. Als Konsequenz wurde lediglich eine beidseitige Verstärkung mit einem 16 cm hohen und 1 cm starken Flachstahl, zur Verringerung der Auflagerpressung, an einigen Deckenbalken benötigt (6). An der nördlichen Außenwand wurde unterhalb der Deckenbalken ein starkes Kantholz, zur Verringerung der Auflagerpressung am Deckenbalkenkopf, angebracht. Zusätzlich wurde ein neuer Unterzug im südöstlichen Bereich des EG eingebracht und die Hintermauerung der Mittellängswand, ursprünglich nur in einer Höhe von 2,50 m vorhanden, bis zur Deckenbalkenlage geführt.
    Der erstellte Möblierungsplan ist im Genehmigungsverfahren festgeschrieben. Das Gesamtgewicht der Regale mit Buchbestand beträgt 264 kg.

    1.5.6. Deckenbalken über dem 2. Obergeschoss (Raum 24/25)

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    Abb. 53 Auflager der neuen und alten Deckenbalken in der neu errichteten Außenfassade von 1952
    Negativ wirkte sich 1952 der Abriss des Westflügels auf die noch verbliebene Deckenkonstruktion der Räume 24 und 25 aus. Die ursprüngliche Fachwerkinnenwand des Hauptgebäudes im Übergang zum Westflügel wurde abgetragen und die heutige Außenfassade entsprechend den Vorkragungen des östlichen Abschnitts der Nordfassade mit zweitverwendeten Baumaterialien errichtet. Im Innern endeten somit die 10 m langen bauzeitlichen Deckenbalken vor der neu errichteten Fachwerkaußenwand ohne Auflager.
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    Abb. 54 Ausführung des Flachstahlbandes am Unterzug (Raum 27)
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    Abb. 55 Einbringung neuer Deckenbalkenabschnitte
    Als neuer Deckenabschluss wurden neue Deckenbalkenabschnitte zwischen die vorhandenen bauzeitlichen Deckenbalken gelegt.
    Die statische Berechnung hierfür lieferte Herr Noack vom Ingenieurbüro Hammer & Partner und die Prüfung dieser erfolgte durch Prof. Dipl.-Ing. Dieter Beyer, Ingenieurbüro für Baustatik. Die Bewertung der Hölzer lag in der Verantwortung des Holzschutzgutachters Dipl.-Ing. (FH) Roland Becker.
    Eine nachträgliche Einbindung in die 1952 errichte Fachwerkwand war nicht mehr möglich. Zur Stabilisierung der gesamten Deckenkonstruktion wurde 2013 ein Unterzug mit zwei Beistielen an den Außenwänden und ein mittiger in Achse des Mittellängsunterzuges im 1. Obergeschoss eingebaut.
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    Abb. 56 Fertigstellung der Malerarbeiten in der Diele (Raum 27)

    1.5.7. Deckenbalken über dem 1. Obergeschoss, Diele (Raum 27)

    Die Verkehrslasten im 2. Obergeschoss im Bereich des Rittersaales und des Flures wurden mit 3 kN/m2 festgelegt. Statisch konstruktiv musste der Mittellängsunterzug trotz optimierter Verkehrslasten mit einer Stützweite von 4,90 m beidseitig mit einem mit Dübeln befestigten Flachstahlband verstärkt werden, um die Biegebeanspruchung zu reduzieren (7). Alternativen zum Flachstahlband wurden erörtert. Verstärkungen mit Holzbohlen hätten Beistiele als Auflagerkonstruktion vor der bauzeitlichen Fachwerkwand bis zum Erdgeschoss bedingt. Eine dritte Variante war die Schaffung
    von Auflagerpunkten integriert in den historischen Gefachfeldern, was jedoch einen umfassenden Eingriff in die historische Substanz bedeutet hätte. Durch die integrierte Planung konnte ein solcher Eingriff abgewandt werden und eine schlichte, im historischen Bild nicht störend wirkende Lösung zur konstruktiven Ertüchtigung erarbeitet werden (statische Berechnung Ingenieurbüro Hammer & Partner; Prüfung Prof. Dipl.-Ing. Dieter Beyer, Ingenieurbüro für Baustatik; Bewertung der Hölzer Dipl.-Ing. (FH) Roland Becker).
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    Abb. 57 1. OG, Ertüchtigung der Lehmschlagdecke im Rahmen eines Praxisseminares
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    Abb. 58 1. Obergeschoss, Ertüchtigung der Lehmschlagdecke
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    Abb. 59 2. OG, Ertüchtigung der Lehmschlagdecke im Rahmen eines Seminares

    1.6. Instandsetzung der Lehmschlagdecken im 1. und 2. Obergeschoss unter Ressourcen schonenden Aspekten

    Im 1. und 2. Obergeschoss wurden Eichenholzstaken zwischen die Deckenfelder in Nuten eingeschoben und auf diese eine 5 bis 7 cm starke Lehmschlagdecke aufgetragen. Zur Herstellung der Lehmschlagdecke wurde Langstroh und Lehm verwendet.
    Nach Ausbau der historischen Dielung und Entfernen der Sandschüttungen konnten nur wenige beschädigte Stellen im Aufbau der Lehmschlagdecke festgestellt werden. Der Holzschutzgutachter bestätigte die Schadensfreiheit der Hölzer.
    Durch nachträgliche Schornstein- und Treppeneinbauten waren einige Deckenbereiche offen.
    Diese wurden im Zuge der Baumaßnahme mit 5 cm starke Kiefernholzbohlen geschlossen, auf denen der Lehmschlag neu verstrichen wurde.
    In vielen historischen Bauten werden Lehmschlag- oder Lehmwickeldecken herausgeschlagen ohne zuvor die Begutachtung der Bausubstanz durchzuführen. Das Schließen der Deckenfelder mit neuen Baumaterialien erfordert hohe energetische Aufwendungen in der Produktherstellung (Zuschnitt der Bohlen, Abbau der Lehmvorkommen) und reduziert unnötig ökologische Rohstoffe.
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    Abb. 60 Schnitt durch die Toreinfahrt; rot= Auffüllung mit Schaumglasschotter
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    Abb. 61 Schaumglasschotter im Erdgeschoss anorganischer Wärmedämmstoff und Drainageschicht

    1.7. Instandsetzung des Erdgeschossfussbodens mit Schaumglasschotter und einer abschließenden Faserbetonschicht

    Vor Ort Situation
    Ab Dezember 2013 begann nach Ausschachtung des Erdgeschosses das Einbringen des Schaumglasschotters als Dämmung der Fussbodenebene. Die Teilunterkellerung mit zwei bauzeitlichen, tonnengewölbten Räumen ab der östlichen Tordurchfahrt und zwei bereits vor dem 16. Jahrhundert errichteten Räumen mit Holzbalkendecke und westlich angrenzend mit Kreuzgratgewölbe, bedingten die unterschiedlichen Aufbauhöhen des Fussbodenniveaus im Erdgeschoss. In nichtunterkellerten Bereichen wurden Aufbauhöhen von 20 - 70 cm mit recyceltem Glas, dem Schaumglasschotter, ausgeführt.

    Material
    Der gegenüber aufsteigender Feuchtigkeit kapillarbrechende Schaumglasschotter besitzt zudem wärmedämmende und diffusionsoffene Eigenschaften. Auch das geringe Gewicht des Schüttgutes, lediglich 150 kg/m3, stellt eine weitere positive Eigenschaft dar, gegenüber herkömmlichem Kies. Diese Parameter sollen durch Holzfeuchtemessstellen am Fachwerkgefüge der Tordurchfahrt überprüft werden. Hier liegt das Schwellholz der bauzeitlichen Bundwände der Tordurchfahrt 1 m unter dem Fußbodenniveau der Barockzeit, welches auch weiterhin Gültigkeit besitzt (Erhalt der Sturzhöhen, Gefachschließungen und Möglichkeit des Wiedereinbaus der historischen Türen). Der Schaumglasschotter besitzt je nach verdichtetem Zustand eine hohe Druckfestigkeit von bis zu 275 bis 570 kN/m2 (entsprechend der Verdichtung und seitlicher Seitenausdehnung) (8).

    Einbau
    Der ausgeschachtete Bereich wurde zunächst mit einem Geotextil als Trennvlies mit ausreichender Stoßüberdeckung und Randüberstand ausgekleidet. Nach dem Verdichten mit einer Rüttelplatte wurde 2014 ein 5 cm starker faserbewehrter Beton als Rohfußboden eingebracht. Ziel war es, trotz geringer Aufbauhöhen (am Scheitelpunkt der Gewölbe teilweise nur 5-6 cm), die ehemalige Fußbodenhöhe aufgrund der Raumproportionen und Türöffnungen beizubehalten. Anschlussstellen zum rückwärtigen Treppenhaus mit Fahrstuhl oder dem seit der Barockzeit geschaffenen Eingang im Bereich der Nordfassade wurden mit entsprechendem Gefälle angearbeitet.
    Messtechnische Begleitung
    Da sich die Schwellen weiterhin innerhalb des Fussbodenaufbaus befinden wurde im Rahmen des Modellprojektes Bunter Hof eine Messstrecke zur wissenschaftlichen Begleitung der Holzfeuchtemessungen Messpunkte angelegt.

    Nach Einbringung des Schaumglasschotters und des 6 cm starken Faserbetons zeigten die Messwerte unregelmäßige Ergebnisse mit hohen Feuchtewerten und einige Werte wiederum im Toleranzbereich. Zur Ursachenermittlung wurden alle Fotodokumentationen der Messpunkte gesichtet und schließlich eine kleine Befundöffnung in Höhe der südlichen Außenwand geöffnet. Nach Freilegung konnte nun die direkte Kontrolle der Holzfeuchtewerte erfolgen.
    Feuchtemesswerte mittels der Rammmethode und der Darrmethode wichen stark von der Messreihe ab. Die mittels Darrmethode gemessenen Werte im Schwellbereich und im Ständerfuß betrugen im Mittel zwischen 19 - 23%, ein Feuchtigkeitswert der bei Eichenhölzer durchaus als akzeptabel eingestuft werden kann.

    Für weitere Bauvorhaben wurden vom Holzschutzgutachter folgende Punkte festgelegt:
  • Der Erdaushub sollte in allen Räumen soweit erfolgen, dass die Schwellhölzer vom Schaumglasschotter umhüllt werden und kontaminiertes Erdreich mit Myzelien, Sporen und Resthölzer entfernt wird.
  • Flächen von angrenzendem Mauerwerk oder Gewölbekappen sollten grundsätzlich freilgelegt werden und eine Untersuchung auf Durchwachsungen mit Myzel durch den Holzschutzsachverständigen durchgeführt werden.
  • Die Flächen müssen gereinigt und abgeflammt werden.
  • Das Fluten der Mauerwerksflächen und Schwelluntermauerungen sollte mit einem Schwammsperrmittel zur Bekämpfung des Echten Hausschwamms erfolgen (9).
  • 1.8. Ressourcen schonendes Bauen - Einbau der Sandsteinplatten im Erdgeschoss

    Bei der Vorbereitung des Baugrundes für den Anbau des Treppenturmes auf der Südseite des Bunten Hofes wurden quadratische Sandsteinplatten eines angrenzenden Vorgängerbaus gesichert. Sie konnten als Bodenbelag in der Eingangsdiele im Erdgeschoss wieder
    verwendet werden. Die Platten wurden gesägt und mit einer Messerfuge verlegt.
    Aufgrund der geringen Höhe für einen Fußbodenaufbau wurden in der Diele anstatt der geplanten Fußbodenheizung Plattenheizkörper eingebaut.
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    Abb. 62 Südseite, Sandsteinplatten zeigen die Lage eines angrenzenden Vorgänderbaus
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    Abb. 63 Erdgeschoss, Diele mit wiederverwendeten Sandsteinplatten
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    Abb. 64 Erdgeschoss, Diele mit wiederverwendeten Sandsteinplatten
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    Abb. 65 Decke Rittersaal Teilbereiche der Decke werden neu verputzt, Deckenbalken werden mit Folie geschützt, Schilfrohrmatten dienen als Putzträger
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    Abb. 66 Decke Rittersaal Teilbereiche der Decke werden neu verputzt, Deckenbalken werden mit Folie geschützt, Schilfrohrmatten dienen als Putzträger
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    Abb. 67 Erdgeschoss, Putzarbeiten in der Diele

    1.9. Die Verputzarbeiten im Innenraum unter Ressourcen schonender Betrachtung des gesamten Projektes

    1.9.1. Das Verputzen der Wände und das Aussetzen kleinerer Fehlstellen

    Die bauzeitlichen Fachwerkwände mit unterschiedlichen Gefachfüllungen - Stakenhölzer mit beidseitigem Strohlehmputz, Lehmsteine und Ziegelsteine - zeigen als Unterputz vorwiegend einen Strohlehmputz mit grobem Strohanteil. Die Putzoberfläche wurde aufgeraut, um eine Verbindung zwischen dem Lehmunterputz und den anschließenden Kalkputzen oder Lehmputzen herzustellen. Abschließend wurden die Gefachflächen mit einem dünnen Lehmputz überzogen oder in einzelnen Gefachfeldern ein abschließender, wenige Millimeter starker Kalkputz aufgetragen. Die Putzschichten stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert und stehen im Zusammenhang mit dem Umbau des Adelshofes infolge der Neuverpachtung in diesen Jahrhunderten. Der im 19. Jahrhundert verwandte Mörtel besitzt einen Putzträger aus Strohmatten mit Draht und Nägeln (Diele). Bei Übernahme des Gebäudes stand der Fachwerkbau bereits etwa 25 Jahre ohne Nutzung. Eindringende Feuchtigkeit, mangelnde Unterhaltungsarbeiten und die seit der Bauzeit immer wieder erfolgten Umbauten, die zu Verschiebungen
    des Lastabtrages im Gebäude sowie zu Bewegungen und Setzungen der Fachwerkkonstruktion führten, verursachten an vielen Stellen Risse an den Putzoberflächen und schollenartige Abplatzungen. Auch die Erschütterungen während der Bauzeit führten zur Loslösung der Putzschichten.
    Die losen Putzschollen wurden zunächst mit einem Lehm oder Kalkputz angeböscht. Anschließend wurde der Decken- oder Wandputz mit einer Lösung aus Lehm, Kreide und Zelluloseleim über Injektagen rückfixiert. Im Oktober 2014 erfolgte die Restaurierung der aus dem 16. Jahrhundert stammenden Deckenfelder des ehemaligen Rittersaales. Große Fehlstellen wurden mit einem zweilagigen Strohlehmputzes mit abschließendem Lehmfeinputz geschlossen. Alte Putzflächen, teilweise noch mit Begleiterfassung, wurden gefestigt und ergänzt. Die neu zu putzenden Wand- und Deckenfläche wurden im Bereich der Fachwerkkonstruktion mit einem Putzträgersystem aus Schilfrohrmatten verkleidet. Die Fachwerkhölzer wurden mit einer Trennlage, einem Vlies, entkoppelt.
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    Abb. 68 Injektage zur Rückbefestigung historischer Putze an Wand- und Deckenfeldern
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    Abb. 69 Putzarbeiten unter Erhalt historischer Putzreste
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    Abb. 70 Unterkonstruktion Raum 22
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    Abb. 71 Unterkonstruktion Raum 23

    1.10. Ressourcen schonendes Bauen - Einbau einer Holzlattung zum Fußbodenhöhenausgleich

    Auf Grund der teilweise stark verformten Decken wurde sich in der integrativen Planung bezüglich der Fußbodenaufbauten für eine Unterkonstruktion aus Latten zum Höhenausgleich entschieden.

    In Raum 22, 23 wurden zum Beispiel die Lagerhölzer quer zur Deckenspannrichtung, mit geringen Aufbauhöhen verlegt, und laufen zum Teil auf Null aus. Die anschließend befestigten OSB-Platten mit Nut und Feder wurden in die selbe Richtung verlegt und überspannen je zwei Felder.

    Damit in den Räumen des 1. Obergeschosses die restaurierten historischen Holzdielen wieder eingebaut
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    Abb. 72 Unterkonstruktion mit längs gelegten, flachen Lagerhölzern, Raum 28
    werden konnten, wie zum Beispiel in Raum 28, mussten teils die Lagerhölzer längs zur Deckenspannrichtung verlegt werden, da aufgrund der geringen Aufbauhöhen ein Verlegen in Querrichtung nicht umsetzbar war. Die OSB-Platten wurden anschließend quer zur Spannrichtung verlegt und überspannen je 2 Felder.

    Die Ebene der Unterkonstruktion wurde des Weiteren zur Fortführung der Dämmebene benutzt. Oberhalb wurde zwar die Trittschalldämmung eingebracht, der Bereich unterhalb hingegen wurde dafür genutzt, um in den auskragenden Gebäudeteilen die Dämmebene der Wand entlang des Vorsprunges weiter zu führen.
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    Abb. 73 Raum 41b